Ein Ort, an dem Menschen bereits jetzt extrem isoliert und abgeschottet werden, ist das sogenannte Rückkehrberatungszentrum am Bürglkopf in Tirol. Die Initiative #FairLassen protestiert gegen die Abschottung und Isolation von schutzsuchenden Menschen und fordert die Schließung.
Auf 1.300 Meter Seehöhe und zweieinhalb Stunden Fußmarsch vom nächsten Dorf Fieberbrunn entfernt, befindet sich das Asyl-Rückkehrzentrum Bürglkopf in Tirol. Im Moment werden dort über 80 Menschen isoliert und von der Zivilgesellschaft abgeschottet. Einige von ihnen warten auf die Rückreise in das Land, aus dem sie vor mehreren Monaten oder Jahren geflüchtet sind, andere sind noch im Asylverfahren.
Es gibt keine öffentliche Verkehrsanbindung, im Winter ist der Weg hoch zur Einrichtung bei Schneelage mit dem Auto nicht passierbar.
Die Unterbringung in diesem Lager des Bundes führt bei den Bewohnern zu einer extremen psychischen Belastung. Die am Bürglkopf untergebrachten Menschen müssen zumeist viele Monate in Perspektivlosigkeit und ohne nennenswerten Kontakt zur Zivilgesellschaft verbringen.
Eine menschenwürdige Unterbringung ist an diesem extrem abgeschiedenen Ort nicht möglich.
Gemeinsam mit Vertreter*innen kirchlicher Einrichtungen ist die Initiative #FairLassen Ende Oktober 2020 zum Bundesquartier am Bürglkopf gewandert, um gegen Abschottung und Isolation von schutzsuchenden Menschen zu protestieren.
Die Initiative #FairLassen setzt sich dafür ein, dass das Bundesquartier am Bürglkopf in Tirol geschlossen wird. Klare Worte findet #FairLassen-Sprecherin Judith Ranftler:
„Die Menschen, die hier untergebracht sind, sind geflüchtet. Aus guten Gründen. Die Isolation, der sie hier ausgesetzt sind, macht sie zusätzlich noch kaputt. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der Quartiere wie das hinter mir, der Vergangenheit angehören.“
Auch der Sprecher der Asylkoordination Österreich, Lukas Gahleitner-Gertz, spricht sich für eine menschenwürdige Unterbringung von schutzsuchenden Menschen aus. Er erklärt im Video, was mit der Unterbringung von Menschen an abgelegenen Orten erreicht werden soll, nämlich „Menschen zu isolieren und Menschen wegzusperren, irgendwo rauf auf den Berg.“
„Ich kann mir gar nicht vorstellen wie das ist, wenn der Winter kommt und hier alles voller Schnee ist und es eigentlich zu Fuß kaum noch schaffbar ist.“ Das sagt die Geschäftsführerin der Plattform Asyl, Kathrin Heis nach der Wanderung hoch zum abgeschiedenen Asyl-Rückkehrzentrum Bürglkopf.
Unabhängig davon, ob Landes- oder Bundesbetreuung, muss sich die Unterbringung am Betreuungsbedarf der geflüchteten Personen orientieren.
Wir setzen uns dafür ein, dass Grundversorgungsstandards zukünftig gesetzlich verankert werden.
Über 80 Männer sind im Moment am Bürglkopf untergebracht. Über 80 Menschen, die oben am Berg in Perspektivlosigkeit und absoluter Abschottung und Isolation tagein, tagaus leben müssen. Bei unserer Protestwanderung haben wir mit einigen dieser Männer gesprochen. Ihre Geschichten erzählen von Verzweiflung, Resignation und Hoffnungslosigkeit. Und aber auch davon, wie eine Zukunft in Österreich aussehen könnte.
I. ist bereits seit 15 Jahren in Österreich. In seiner Heimat herrscht Bürgerkrieg. Seit acht Monaten ist er nun am Bürglkopf. Er braucht regelmäßig ärztliche Behandlung, der nächste Arzt ist in Fieberbrunn. Wegen seiner Schmerzen kann er nicht mit den anderen Fußball spielen. Sport ist das einzige, was man dort machen kann. Sonst sitzt man herum und wartet. Kurse oder sonst etwas gibt es dort oben nicht. „Es ist wie im Gefängnis, auch ohne Zaun“, sagt er mit traurigen Augen.
„Ich komme aus dem Irak und ich bin seit fünf Jahren in Österreich und wohne jetzt am Bürglkopf.“ Er erzählt von der fehlenden Sicherheit und auch von der Unfreiheit. Es gibt Anwesenheitspflichten, man kann nicht kommen und gehen wie man möchte. „Wir verstehen es nicht, bitte können Sie uns helfen. Alle sagen wir sollen Geduld haben, aber ich warte schon seit fünf Jahren.“
M. lebt seit fünf Jahren und zehn Monaten in Österreich. Sein Asylantrag wurde negativ beschieden. Zurück in den Iran kann er nicht, dort droht ihm der Tod. „Ich bin Christ, ich bin getauft, ich bin Österreicher. Ich habe mir in Österreich nichts zu Schulden kommen lassen. Warum bin ich hier oben? Seit zehn Monaten bin ich hier. Jeden Monat kommt eine Frau vom Verein Menschenrechte Österreich und fragt mich ob ich in den Iran gehen möchte. Das verursacht großen Stress. Ich kann nicht zurück. Mein Leben im Iran wäre sehr gefährlich, ich kann nicht zurück, es wäre gefährlich für mein Leben. Ich möchte in Österreich arbeiten. Im Iran war ich Kameramann und hier darf ich nur warten, warten, warten. Ja, Geduld ist wichtig im Leben, aber bis wann?“
„Zunächst möchte ich mich bedanken, dass sie da sind und mit euren Augen seht, welche Probleme wir hier in der Isolation haben. Der Winter steht vor der Tür und da kommt in Tirol meistens auch Schnee. Und das bedeutet für uns, dass wir gar nicht mehr raus können und drinnen bleiben müssen. Wir sind im Gefängnis hier. Es gibt keine Kurse, nichts mit dem man sich die Zeit vertreiben kann. Es sind schon viele NGOs hierher gewandert, aber geändert hat sich bisher nichts. Wir wollen Sie deshalb bitten, dass Sie wirklich etwas für uns tun. Viele Bewohner haben schon lange resigniert. Sie sind es gewohnt, dass nichts passiert und sich an ihrer Situation nichts ändert.“
A. hat zuvor in Italien gelebt hat und spricht nur italienisch und französisch. Niemand anders im Heim spricht die Sprachen, er kann sich also seit vier Monaten mit niemanden vor Ort unterhalten.
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